Nachgefragt: Fremdenfeindliche und neonazistische Aktivitäten in Brandenburg im 2. Quartal 2016

Nachgefragt: Fremdenfeindliche und neonazistische Aktivitäten in Brandenburg im 2. Quartal 2016

Um die Lage bezüglich fremdenfeindlicher und neonazistischer Aktivitäten in Brandenburg genauer zu erfassen, habe ich eine Anfrage zur Entwicklung im 2. Quartal 2016 an die Landesregierung gestellt.  Die Antwort der Landesregierung liegt nun vor. Die Landesregierung im vergangenen Jahr bereits mehrere Anfragen zum Themenkomplex beantwortet. Hier im Blog gibt es Texte zu einer Anfrage für das erste Quartal 2016, einer Anfrage für das vierte Quartal 2015, einer Anfrage für das dritte Quartal 2015, einer Anfrage für das zweite Quartal 2015 und einer Anfrage für das erste Quartal 2015 und die Jahre 2010 bis 1014. Aus diesen Antworten ergeben sich die Vergleichzahlen der Auswertung unten. Berücksichtigt sind in der Auswertung jeweils auch die Nachmeldungen in Folgeanfragen zu vorangegangenen Zeiträumen.

 

Mein Fazit zur aktuellen Antwort habe ich gestern dpa gesagt:

“Zwar ist erneut leichter Rückgang rechter Aktivitäten in Brandenburg zu verzeichnen. Im Vergleich zum Vorjahresquartal beobachten wir jedoch weiterhin eine starke Zunahme der bei rechten Veranstaltungen. Vor allem das Thema Asyl stößt nach wie vor auf starkes Interesse, das von allen Akteuren der rechten Szene inkl. der AfD auch weiterhin für die Mobilisierung genutzt wird.

Wir setzen weiterhin auf eine starke Zivilgesellschaft, die sich diesen Aktivitäten entgegen stellt. Es zeigt sich immer wieder: um Humanität und Solidarität muss die Zivilgesellschaft kämpfen, um die zunehmenden Verrohung des gesellschaftlichen Diskurses zu verhindern. Ein Klima der Weltoffenheit und Toleranz entsteht nicht von alleine und gerade im Zuge gesellschaftlicher Auseinandersetzung um den Zuzug von Geflüchteten ist jeder einzelne gefordert, seinen Beitrag gegen Hass und Hetze zu leisten.”

 

 

Und nun zur detaillierten Auswertung:

Mit der vorangegangenen Anfrage hatte die Landesregierung die Systematik der Antworten geändert. Sie unterscheidet nun zwischen Veranstaltungen rechtsextremistischer Parteien bzw. Zusammenschlüsse, asylkritische Veranstaltungen durch andere Kampagnen und asylkritische Veranstaltungen durch die AfD. Um die Vergleichbarkeit zu wahren bleibe ich jedoch bei der bisherigen Auswertungssystematik und unterscheide demnach bei der Auswertung nicht nach diesen “Anmeldertypen”. Auch im Übrigen, weil mir die Systematik der Unterscheidung nicht wirklich klar ist.

Mit dieser Antwort liegen nun alle Demonstrationen, Kundgebungen, Mahnwachen und Konzerte, inkl. TeilnehmerInnenzahl, Motto und Angaben zu den AnmelderInnen, die in den Jahren 2010 bis 2015 und im 2. Quartal 2016 in Brandenburg stattgefunden haben, vor.

In der Analyse ergibt sich mit den Ergänzungen des 2. Quartals 2016 folgendes Bild:

Wenn man alle Veranstaltungen zusammen nimmt, fanden
2010 34,
2011 53,
2012 43,
2013 61,
2014 130
2015 202
2016 132 (1. Halbjahr)
Demonstrationen, Kundgebungen, Mahnwachen und Infostände und sonstige Aktivitäten der extremen Rechten in Brandenburg statt.

Aufgeschlüsselt 2015:
1. Quartal 2015 40
2. Quartal 2015 31
3. Quartal 2015 38
4. Quartal 2015 93

Aufgeschlüsselt 2016:
1. Quartal 2016 79
2. Quartal 2016 53

 

In die einzelnen Veranstaltungsformen unterteilt ergibt sich folgendes Bild:
2010 Demonstrationen 7, Mahnwachen 16, Kundgebungen 10,Feste 0, Infostände 0, Sonstige 1
2011 Demonstrationen 4, Mahnwachen 44, Kundgebungen 1, Feste 2 , Infostände 1, Sonstige 0
2012 Demonstrationen 10, Mahnwachen 30, Kundgebungen 0, Feste 1 , Infostände 0, Sonstige 1
2013 Demonstrationen 2, Mahnwachen 24, Kundgebungen 29, Feste 0 , Infostände 5, Sonstige 1
2014 Demonstrationen 4, Mahnwachen 14, Kundgebungen 110, Feste 0 , Infostände 0, Sonstige 1
2015 Demonstrationen 59, Mahnwachen 20, Kundgebungen 101, Feste 0 , Infostände 5, Sonstige 17
2016 (1. Halbjahr) Demonstrationen 46, Mahnwachen 9, Kundgebungen 70, Feste 0 , Infostände 0, Sonstige 7

Aufgeschlüsselt 2015:
2015 1. Halbjahr
Demonstrationen 32, Mahnwachen 8, Kundgebungen 29, Feste 0 , Infostände 1, Sonstige 1
2015 2. Halbjahr Demonstrationen 27, Mahnwachen 12, Kundgebungen 72, Feste 0 , Infostände 4, Sonstige 16
davon im:
2015 1. Quartal Demonstrationen 19, Mahnwachen 7, Kundgebungen 14, Feste 0 , Infostände 0, Sonstige 0
2015 2. Quartal Demonstrationen 13, Mahnwachen 1, Kundgebungen 15, Feste 0 , Infostände 1, Sonstige 1)
2015 3. Quartal Demonstrationen 1, Mahnwachen 5, Kundgebungen 28, Feste 0 , Infostände 1, Sonstige 3
2015 4. Quartal Demonstrationen 26, Mahnwachen 7, Kundgebungen 44, Feste 0 , Infostände 3, Sonstige 13

Aufgeschlüsselt 2016:
davon im:
2016 1. Quartal Demonstrationen 34, Mahnwachen 3, Kundgebungen 40, Feste 0 , Infostände 0, Sonstige 2
2016 2. Quartal Demonstrationen 12, Mahnwachen 6, Kundgebungen 30, Feste 0 , Infostände 0, Sonstige 5)

Mit Bezug zu Asyl/Flüchtlingen, AusländerInnen im Allgemeinen:
2010 10
2011 14
2012 1
2013 35
2014 36
2015 153
2016 127 (1. Halbjahr)

Aufgeschlüsselt
1. Halbjahr 2015
45 (1. Quartal 25, 2. Quartal 20)
2. Halbjahr 2015 108 (3. Quartal 31, 4. Quartal 77)
1. Halbjahr 2016 127(1. Quartal 76, 2. Quartal 51)

 

Die hohe Zahl der Kundgebungen in 2014 verfälscht ein wenig das Bild. Hier handelt es sich in den meisten Fällen um Wahlkampfaktivitäten der NPD. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass sich vor allem die Zahl der Demonstrationen und Kundgebungen seit Beginn des Jahres 2015 stark erhöht hat und auch die Mobilisierungsfähigkeit dafür steigt. Ein Höhepunkt wurde im vierten Quartal 2015 erreicht, statistisch gesehen hat an jedem Tag eine Veranstaltung der extremen Rechten in Brandenburg stattgefunden. Besondere Sorge bereitet, dass die Nazi-Szene immer stärker auf das Thema Asyl und Flüchtlinge setzt und hier auch ein deutlicher Anstieg bei der Mobilisierungsfähigkeit zu beobachten ist. Im 2. Quartal 2016 hatten 51 der 53 Veranstaltungen einen Bezug zu m Thema Asyl.

Seit Oktober 2015 hat auch die AfD im Rahmen ihrer “Herbstoffensive” einige Veranstaltungen mit recht hoher Mobilisierung durchgeführt. Dieser Trend setzt sich auch im Jahr 2016 fort. Alle hier erfassten Veranstaltungen der AfD im Jahr 2016 hatten einen Bezug zum Thema Asyl.

Und es zeigt sich, dass Parteien versuchen die aktuelle gesellschaftliche Situation auszunutzen. 30 der 132 Aktivitäten im 1. Halbjahr 2016 wurden von der NPD angemeldet, 10 von der AfD und 6 vom III. Weg. Diese Angaben sind jedoch aus meiner Sicht mit Vorsicht zu betrachten, da auch hinter den anderen Veranstaltungen ggf. Parteien stehen, auch wenn sie nicht als Anmelder fungiert haben.

Die Mobilisierungsfähigkeit der rechten Szene scheint jedoch etwas nachzulassen. Waren im 4. Quartal 2015 und im 1. Quartal 2016 Veranstaltungen mit 100 bis 300 Personen quasi die Regel, sind Veranstaltungen mit 100 oder mehr TeilnehmerInnen im 2. Quartal 2016 eher die Ausnahme gewesen. Das kann darauf hindeuten, dass die Mobilisierungsfähigkeit des Themas Asyl angesichts sinkender Geflüchtetenzahlen sinkt.

 

Noch ein paar Tipps zum Weiterlesen:

Sören Kohlhuber hat in seinem Blog eine sehr ausführliche und detaillierte Auswertung der Ergebnisse der Antworten der Landesregierung auf meine Anfragen im Jahr 2015 erstellt. Hier gibt es neben vielen Grafiken auch eine Excel-Tabelle aller Veranstaltungen.

Das Aktionsbündnis Brandenburg hat ebenfalls eine Analyse der Entwicklung der fremdenfeindlicher Demonstrationen und Kundgebungen im Jahr 2015 erstellt. Die Ergebnisse beruhen auf eigenen Recherchen, korrespondieren jedoch weitgehend mit den Antworten der Landesregierung.