Rede in der aktuellen Stunde zur Flüchtlingspolitik
Im Landtag fand eine Aktuelle Stunde zur Flüchtlingspolitik statt. Ich habe zweimal das Wort ergriffen, erst in einer Kurzintervention zur Reder Integrationsministerin Nonnemacher und dann in meinem eigentlichen Redebeitrag.
Zum Video der Kurzintervention geht es hier.
Der Text ist hier dokumentiert, zitiert nach der vorläufigen stenografischen Niederschrift:
„Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Nonnemacher, Sie sind die Integrationsministerin dieses Landes. Ich hätte mir – gerade nach dem, was wir heute in der Zeitung gelesen haben – schon gewünscht, dass Sie zu ein paar Themen noch ein bisschen mehr sagen. Ich zumindest bin sehr überrascht, dass man sich darauf geeinigt hat – Sie haben anscheinend zugestimmt -, die Aufenthaltsdauer in der Erstaufnahmeeinrichtung auf 18 Monate zu erhöhen. Vielleicht werden es auch
24 Monate. Manche fordern sogar – wir haben es von Herrn Redmann gehört -, dass die Geflüchteten dauerhaft dort bleiben. Die Integrationsministerin selbst hatte das vorgeschlagen. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie uns erklären, wie Sie sich das eigentlich vorstellen und was das dann noch mit Integration zu tun hat.
Frau Ministerin, ich habe mir immer gewünscht, dass Sie in dieser Koalition diejenige sind, die wirklich für Integration kämpft. Die Verlängerung des Aufenthalts in der Erstaufnahmeeinrichtung ist aber kein Kämpfen für Integration, sondern bedeutet Desintegration pur.
Ich hätte mir auch gewünscht, dass Sie etwas dazu sagen, dass auf einmal den Kommunen das Duldungsmanagement weggenommen werden soll. Diese Maßnahme wird übrigens genau dazu führen, dass Ihr Innenminister gut integrierte Ausländer noch besser abschieben kann, wie er es gerade mit den beiden Pakistanern, von denen Sebastian Walter vorhin sprach, gemacht hat. Dann hat der Innenminister es nämlich in der Hand, die Duldung zu widerrufen und Leute abzuschieben.
Und ich hätte mir gewünscht, dass Sie etwas dazu sagen, was denn nun mit dem Landesaufnahmegesetz wird. Seit Jahren verschleppen Sie die Evaluierung. Die Erstattungssätze sind bis heute nicht kostendeckend. Es gibt bis heute auch keine vernünftige Leerstandsfinanzierung. Deshalb mussten die Kommunen in den vergangenen Jahren Unterbringungskapazitäten abbauen – welche wir jetzt wiederaufbauen müssen!
Es ist völlig richtig, für die Schaffung neuer Kapazitäten jetzt Geld in die Hand zu nehmen. Aber Sie müssen dann auch das Landesaufnahmegesetz ändern und verlässliche Finanzierungszusagen auch für den Fall von Leerstand geben; anderenfalls werden wir in ein paar Jahren in der gleichen Situation sein.
Ich hätte wirklich von Ihnen erwartet, dass Sie zu alledem hier etwas sagen.“
Auch der Redebeitrag ist als Video verfügbar,
Und natürlich soll diese Rede hier auch textlich dokumentiert werden:
„Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist ein trauriges Schauspiel, das die Koalition und die Landesregierung hier seit Monaten aufführen. Im September letzten Jahres haben sich die Landräte angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen an die Landesregierung gewandt – mit der Forderung nach Hilfe bei der Schaffung von Unterkünften. Ende Oktober wurde ihnen dann auch eine Audienz bei der Landesregierung gewährt, und es wurde Hilfe versprochen. Hübsche Versprechungen nur, passiert ist seitdem nichts.
Nun haben wir Ende März, fünf Monate nach dem sogenannten Flüchtlingsgipfel der Landesregierung, und bei den Kommunen ist immer noch keine Hilfe angekommen – im Gegenteil: Zwischenzeitlich hat der Innenminister die Situation noch verschärft, indem er eine Erstaufnahmeeinrichtung aus Kostengründen schließen wollte.
Und selbst wenn Sie sich jetzt geeinigt haben, diese Einrichtung in Doberlug-Kirchhain am Netz zu lassen: Der Schaden ist da. Die Hälfte des Fachpersonals hat das Weite gesucht, und die noch verbliebenen 35 Mitarbeiter werden in der kommenden Woche ihre Kündigung erhalten, wenn das Land bis dahin nicht den Vertrag mit dem DRK verlängert hat. Ich hoffe, wenigstens das bekommen Sie dann auf die Reihe, Herr Innenminister.
Dann kam der Innenminister um die Ecke und sprach von Migrationskollaps und einer angeblich notwendigen Migrationsbremse. Ganz genau weiß er zwar nicht, wie die Lage ist – aber hey, eine „Das Boot ist voll“-Rhetorik war schon immer eine gute Strategie, um vom eigenen Versagen abzulenken.
Und dann stand ein neuer Flüchtlingsgipfel an. In aller Eile haben die Ressorts aufgeschrieben, was man so machen könnte; nur einigen konnte man sich nicht. So wurde der Flüchtlingsgipfel eilig wieder abgesagt, nachdem das halbe Land in Aufruhr versetzt wurde, weil die in Teilen absurden Vorschläge nicht mit den Kommunen und Akteuren vor Ort abgestimmt waren. Was für ein peinlicher Vorgang!
Dann, meine Damen und Herren, kommt die Landtagssitzung, und siehe da: Einen Tag vorher einigt man sich in der Landesregierung. Die Presse wird informiert, das Parlament mal wieder nicht. Nun wird uns hier, in der Debatte im März, als großer Erfolg verkauft, was beim Flüchtlingsgipfel im Oktober, bei den Haushaltsberatungen im Dezember und in Bezug auf das Brandenburg-Paket Anfang des Jahres alles schon mal versprochen wurde: mehr Geld für die Schaffung von Unterbringungsplätzen, Aufstockung der Integrationsmittel, Migrationssozialarbeit für die Ukrainerinnen und Ukrainer, Unterstützung bei Dolmetscherleistungen. Alles gut; das begrüßen wir. Aber was hat Sie in den vergangenen fünf Monaten eigentlich daran gehindert, dies alles schon zu tun? Das waren fünf Monate verschenkte Zeit, meine Damen und Herren – verschenkte Zeit übrigens auch, weil man mit den Akteuren der Flüchtlingsarbeit darüber hätte sprechen können, wie sie die Lage vor Ort einschätzen und was sie vorschlagen, jetzt zu tun. Sie haben ihnen allen mit warmen Worten gedankt, aber geredet hat mit denen keiner. Als Linksfraktion haben wir uns dann gedacht: Okay, wenn die Landesregierung das nicht macht, machen wir das. – Wir haben uns mit kommunalen Integrationsbeauftragten, mit Verbänden, Vereinen und Initiativen, die jeden Tag vor Ort die Arbeit machen, zusammengesetzt und sie gefragt: Was braucht ihr, was würde euch helfen?
Das Ergebnis war klar: Es braucht jetzt schnell und unbürokratisch Mittel für Investitionen in die soziale Infrastruktur, also für Schulen und Kitas. Es braucht schnelle und unbürokratische Hilfe für den Aufbau von Unterbringungskapazitäten und deren dauerhafte Finanzierung – darüber habe ich eben schon gesprochen. Es braucht schnell und unbürokratisch die Stärkung der Integrationsstrukturen und Migrationssozialarbeit auch für ukrainische Geflüchtete. Und nein, die jetzt angekündigten 62 Stellen in diesem Bereich sind eben lange nicht bedarfsdeckend.
Es hilft auch nicht, das jetzt einmalig für ein oder zwei Jahre zu machen. Verlässlichkeit und langfristig gesicherte Strukturen sind in der Integrationsarbeit unabdingbar.
Meine Damen und Herren, Sie haben in den vergangenen Jahren Integrationsstrukturen geschwächt und teilweise auch zerstört. Wir haben jedes Mal davor gewarnt. Ich kann nur appellieren, die jetzt mühsam wieder aufzubauenden Strukturen dann auch dauerhaft zu sichern.
Ein erster Schritt dahin wäre übrigens, die Richtlinie für das Integrationsbudget zu entbürokratisieren. Frau Nonnemacher, zu Ihrer diesbezüglichen Absage und Ihrer eben getätigten Aussage, dass Sie an dieser Richtlinie festhalten, kann ich nur sagen: Sie haben nicht verstanden, was vor Ort gerade gebraucht wird.
Es ist absolut kontraproduktiv, wenn die Antragsbearbeitung Monate dauert und am Ende des Jahres Geld für ein Projekt bewilligt wird, das am Anfang des Jahres starten sollte. Und: Schaffen Sie endlich den Eigenanteil ab! Dieser führt dazu, dass Initiativen und Vereine, die die dringend nötige Integrationsarbeit in diesem Land leisten wollen, auch noch Geld mitbringen müssen. Das ist in dieser Situation doch völlig absurd!
Meine Damen und Herren, ja, wir sind in einer schwierigen Situation. Aber wenn Sie jetzt bereit sind, in die soziale Infrastruktur zu investieren, den Kommunen verlässliche Finanzierungszusagen zu machen und konsequent die Integrationsstrukturen in diesem Land zu stärken, dann ist diese Herausforderung zu bewältigen – nicht mit Ankündigungen, wie so oft erlebt, sondern endlich mit Taten. – Herzlichen Dank.“